Die Sprache der Liebenden

Eine relativ simple polyalphabetische Verschlüsselung, die bei den Verliebten von Omphalos seit Jahrhunderten in Gebrauch ist, um sich heimliche Botschaften zu schicken. Der Legende nach soll diese Chiffre von Romeo und Julia ersonnen worden sein, damit ihre verfeindeten Familien nichts von ihrer verbotenen Liebe erfahren konnten. Plausibler ist allerdings, dass ein Pärchen aus Omphalos sich diese Chiffre ausdachte. In der Gegenwart findet sich diese Chiffre sehr oft in den "Säulen der Sehnsucht", der Anzeigenseite einer Omphalischen Zeitung, auf der die Verliebten sich gegenseitig Liebesschwüre und Treffpunkte zuschicken.

Romantisch ist diese Chiffre aber nicht nur, weil sie für romantische Botschaften verwendet wird. Auch nicht, weil die Hälfte ihrer Symbole aus Herzen besteht oder weil alle Symbole Pärchen bilden. Die schönste Liebeserklärung an die geliebte Person wird wohl sein, dass nur ihre beiden Namen die Botschaft entschlüsseln können - so sind sie, wenn schon nicht im Leben, dann doch in ihrer Geheimschrift untrennbar vereint.

Erklärung der Chiffre

Für diese Chiffre benötigt man nichts anderes als die oben dargestellten, verschieden großen drei Scheiben, eingeteilt in 40 Spalten. Die größte Scheibe 1 enthält die Geheimsymbole, die mittelgroße Scheibe 2 das Klartextalphabet mit den zusätzlichen Zahlen von 0 bis 9 und vier Emoticons, die kleinste Scheibe 3 hingegen, welche in der Abbildung noch leer ist, wird an zwei verschiedenen Stellen ein Herz enthalten.

Der Schlüssel

Um den Klartext zu verschlüsseln, werden der Name der geliebten Person (z.B. BOB) und der Name des verliebten Briefeschreibers (z.B. ALICE) benötigt. 


Anschließend legt der Codierer (Alice) folgendes fest:

  • Auf der dritten Scheibe sollen zwei Herzen stehen. Sie können nebeneinander stehen, nahe beieinander oder weiter entfernt - wichtig ist nur, dass der Codierer festlegt, wieviel Abstand in welcher Richtung zwischen ihnen besteht (Abb.1).
  • Außerdem muss festgelegt werden, welches Herz das erste und das zweite ist (Abb.1). 
  • Dann legt Alice nur noch fest, welches Symbol über dem ersten Herz stehen soll. 


Damit ist der Schlüssel festgelegt. Wenn Alice nun ihrem geliebten Bob mitteilen will, wie ihre Botschaft entschlüsselt werden kann, muss sie ihm nur noch sagen, an welcher Stelle die Herzen stehen, welches Herz das erste und zweite ist und unter welchem Symbol das erste Herz steht.

Sie könnte ihm zum Beispiel den Code aus Abbildung 3 schicken. Der bedeutet: Zähle vom ersten Herz aus 20 Stellen nach RECHTS (R) und zeichne dort das zweite Herz ein. Stelle das erste Herz unter das Symbol des Vollmonds.

Die Codierung

Stellen wir uns vor, Alice will Bob die Nachricht "Ich liebe dich" schicken. 

Bei der Codierung muss sie dafür ständig zwischen dem ersten und dem zweiten Herzen hin und her springen, sowie zwischen ihren Namen: Erst ist Alice dran, dann Bob, dann wieder Alice und so weiter.

Zuerst stellt Alice die Scheibe richtig ein nach dem Schlüssel, den sie vorhin festgelegt hat (also sie zeichnet die zwei Herzen an den richtigen Stellen auf der dritten Scheibe ein und schiebt das erste Herz unter den Vollmond.)

Für den ersten Buchstaben "I" schiebt sie nun den ersten Buchstaben ihres Namens "A" über das erste Herz. Dann schaut sie nach, welches Symbol sich über dem "I" befindet - das wäre das umgekehrte Herz mit der Spirale dran (Abb. 1).

Beim zweiten Buchstaben "C" benutzt sie den zweiten Buchstaben ihres Namens "L", verwendet aber das zweite Herz. Also: Das "L" wird über das zweite Herz geschoben, und das Symbol über dem "C" (der Sichelmond mit der Blume) wird notiert. 

So geht das immer weiter, immer hin und her zwischen den Herzen, bis Alice´ Name aufgebraucht ist. Dann kommt Bobs Name dran und, wenn dieser zu Ende ist, wieder Alice´ Name.

Damit man nicht durcheinander kommt, kann man am Klartext notieren, welches Herz und welcher Buchstabe des Namens gerade dran ist (Abb. 3).

So geht das weiter, bis endlich alle Buchstaben des Klartextes als Symbol verschlüsselt sind. Dann wird der Symboltext sauber abgeschrieben, wobei zu beachten ist, dass die Symbole als Pärchen gruppiert werden (Abb. 4).

Einen Nomenklator hinzufügen

Damit man weniger Buchstaben codieren muss, um die Nachricht zu verkürzen und die Entschlüsselung für einen Dritten zu erschweren, kann ein Nomenklator festgelegt werden. Bei einem Nomenklator wird für ein Einzelzeichen eine ganze Bedeutung festgelegt.

So könnten Alice und Bob sich zum Beispiel in einer großen Liste darauf einigen, dass das Herz "Liebe" bedeutet, der Schmetterling "deine oder meine Augen" und der dunkle Tropfen "Übliches Treffen um Mitternacht an der üblichen Stelle".

Damit Bob weiß, wann ein Symbol ein Buchstabe ist oder ein Code-Zeichen, könnte eines der 4 Emoticons als Nomenklator-Zeichen verwendet werden, zum Beispiel das breit lachende Smiley. Wenn Bob das Smiley sieht, weiß er, dass er das nächste Zeichen nicht entschlüsseln soll, sondern es als Code interpretieren muss.

Wem das zu aufwendig ist, der kann auch einfach den vier Emoticons eine neue, geheime Bedeutung geben :)

Die Entschlüsselung

Bob erhält von Alice den wunderschönen Text aus pärchenweise gruppierten Symbolen. Jetzt muss er nur die Scheibe nach dem vereinbarten Schlüssel richtig einstellen und wie Alice zwischen den Herzen hin und her wechseln, erst mit ihrem Namen, dann mit seinem, bis er jeden Buchstaben aus den Symbolen übersetzt hat.

Variationen

Als immer mehr Liebende und Übelgesinnte die Liebenden-Verschlüsselung kannten, gingen die Verliebten dazu über, die Chiffre zu variieren, um sie noch sicherer zu machen.


Hier ein paar Ideen, die die Verliebten hatten:


  • Statt nur der Vornamen können auch noch die Familiennamen verwendet werden.
  • Anstatt erst den Namen des Codierers zu benutzen (Alice), wird erst der Name der geliebten Person verwendet (Bob).
  • Alice´ und Bobs Name werden nach einem bestimmten Prinzip durcheinandergewürfelt und dann für die Ver- und Entschlüsselung verwendet. (z.B. die Namen von Alice und Bob werden abwechselnd notiert: A - B - L - O - I - B - C - B - E - O - A - B...)
  • Wenn die Botschaft einmal mit den Symbolen verschlüsselt ist, wird sie noch einmal verschlüsselt. Dafür wird jedes Symbol einfach durch das ihm gegenüberliegende Symbol ersetzt. Denkbar wäre auch eine Ersetzung des Symbols durch ein anderes, das drei Stellen von ihm im Uhrzeigersinn entfernt liegt.
  • Statt nur zwischen zwei Herzen zu wechseln, können noch mehr Herzen festgelegt werden.
  • Andere verschlüsselten ihren Klartext erst noch, indem sie eine Transposition vornahmen. So kann der Satz "Ich liebe dich", wenn jeder Buchstabe mit seinem Buchstabennachbarn getauscht wird, zu "Cil heieb idhc" werden. Erst dann wird dieses Kauderwelsch mit der Sprache der Liebenden codiert.
  • Wenn die Symbole in Pärchen aufgeteilt werden, können sie auch von oben nach unten geschrieben werden - oder in jeder anderen, vorher vereinbarten Reihenfolge.


Aber natürlich gibt es viele, viele weitere Variationsmöglichkeiten, denn wer ist kreativer als Verliebte, die die Liebe ihres Lebens nicht sehen dürfen? ;D

Die Chiffre-Challenge

Hier seht ihr eine Botschaft, die ich mit der Chiffre der Liebenden verschlüsselt habe. Ob ich nur das klassische Grundverfahren verwendete, die genannten oder weitere Varianten, werde ich natürlich nicht verraten. Der verschlüsselte Text ist eine Liebeserklärung in deutscher Sprache von dem Briefeschreiber an den Geliebten.

Der Schlüssel besteht aus zwei Namen für ein statistisch gesehen eher ungewöhnliches Liebespaar.

Wenn ihr die Chiffre gelöst habt, schickt eine Beschreibung eures Lösungswegs, die Schlüssel und den Klartext an [email protected] . Besonders interessieren würde mich natürlich, was die Schwachpunkte meines Codes waren - ich will mich ja immer weiter verbessern können :)

Die erste Mail, in der die Lösung enthalten ist, beschert ihrem Schreiber - egal welchen Alters oder welchen Wohnorts - das Preisgeld von 100€.

Viel Erfolg!